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Gericht: Oberlandesgericht Koblenz
Beschluss verkündet am 29.03.2001
Aktenzeichen: 2 Ws 208/01
Rechtsgebiete: StPO
Vorschriften:
StPO § 310 | |
StPO § 304 |
Hat das Landgericht über eine Beschwerde entschieden, obgleich eine solche tatsächlich gar nicht eingelegt worden war, ist das dagegen eingelegte Rechtsmittel nicht als weitere Beschwerde, sondern als einfache Beschwerde i.S.d. § 304 StPO anzusehen.
2 Ws 208/01 1 Qs 351/00 LG Koblenz 2077 Js 106739/00 StA Koblenz
In der Strafsache
wegen Diebstahls
hier: Entnahme einer Speichelprobe zur DNA-Feststellung
hat der 2. Strafsenat des Oberlandesgerichts Koblenz durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dr. Vonnahme sowie die Richter am Oberlandesgericht Pott und Henrich am 29. März 2001 beschlossen:
Tenor:
Auf die Beschwerde des Verurteilten wird der Beschluss der 1. großen Strafkammer des Landgerichts Koblenz vom 12. Dezember 2000 aufgehoben.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens und die dem Verurteilten dieserhalb entstandenen notwendigen Auslagen werden der Staatskasse auferlegt.
Gründe:
Das Amtsgericht Linz am Rhein verhängte gegen den Verurteilten am 31. Mai 2000 wegen Diebstahls in zwei Fällen eine Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Monaten, deren Vollstreckung es zur Bewährung aussetzte. Mit Verfügung vom 3. November 2000 beantragte die Staatsanwaltschaft Koblenz bei dem Ermittlungsrichter des vorgenannten Gerichts den Erlass eines Beschlusses über die Entnahme von Körperzellen des Verurteilten in Form einer Speichelprobe zur Feststellung des DNA-Identifizierungsmusters im Rahmen einer molekulargenetischen Untersuchung zum Zwecke der Identitätsfeststellung. Unter gleichem Datum unterrichtete sie den Verurteilten über den Antrag und gab ihm Gelegenheit, binnen zwei Wochen ab Zugang des Schreibens gegenüber dem Amtsgericht Linz Stellung zu nehmen. Der beantragte Beschluss wurde am 14. November 2000 erlassen. Mit an das Amtsgericht gerichtetem Schriftsatz vom 17. November 2000 bestellte sich Rechtsanwalt Dr. A. zum Verteidiger des Verurteilten und erklärte unter anderem, seinem Mandanten sei "jetzt die Verfügung der Staatsanwaltschaft Koblenz vom 3. November 2000 ... zugegangen". Sein Mandant sei mit der Maßnahme nicht einverstanden. Da die Voraussetzungen des § 81 g StPO erkennbar nicht vorlägen, "wäre" die Anordnung der Entnahme von Körperzellen in Form einer Speichelprobe unzulässig, was im weiteren näher ausgeführt wurde. Die Erörterungen schlossen mit dem Satz "Dementsprechend wäre die beantragte Maßnahme rechtswidrig". Die Staatsanwaltschaft wertete die Eingabe als Beschwerde gegen den Beschluss des Amtsgerichts vom 14. November 2000 und legte die Akten zur Nichtabhilfe zunächst dem Amtsgericht und zur Entscheidung über das Rechtsmittel alsdann dem Landgericht Koblenz vor. Mit Beschluss vom 12. Dezember 2000 hat die 1. große Strafkammer des Landgerichts Koblenz die Beschwerde als unbegründet verworfen. Gegen diese Entscheidung hat der Verfahrensbevollmächtigte des Verurteilten mit Schriftsatz vom 7. Februar 2001 "außerordentliche weitere Beschwerde" eingelegt und neben Ausführungen zur materiellen Rechtslage unter anderem angemerkt, das Landgericht habe sein Schreiben vom 17. November 2000 zu Unrecht als Beschwerde angesehen. Tatsächlich habe er eine solche seinerzeit gar nicht einlegen wollen. Dies ergebe sich schon daraus, dass ihm der Beschluss des Amtsgerichts "bis zum heutigen Zeitpunkt" nicht zugestellt und demzufolge am 17. November 2000 auch nicht bekannt gewesen sei. Das Landgericht hat dem Rechtsmittel mit Beschluss vom 15. Februar 2001 nicht abgeholfen.
Das Rechtsmittel ist zulässig. Inhaltlich handelt es sich richtigerweise um eine einfache Beschwerde im Sinne des § 304 StPO. Die Vorschrift des § 310 StPO, wonach Beschlüsse des Landgerichts, die "auf die Beschwerde hin" erlassen werden, durch eine weitere Beschwerde nur ausnahmsweise im Falle einer (hier nicht gegebenen) Verhaftung oder einstweiligen Unterbringung angefochten werden können, steht der Zulässigkeit nicht entgegen. Da der Schriftsatz des Verfahrensbevollmächtigten vom 17. November 2000 keine Beschwerde beinhaltete, wurde der angefochtene Beschluss des Landgerichts vom 12. Dezember 2000 auch nicht "auf die Beschwerde hin" erlassen. Dem Schreiben war zweifelsfrei zu entnehmen, dass es sich (lediglich) um die Stellungnahme zur Verfügung der Staatsanwaltschaft vom 3. November 2000 handelte. Dies ergibt sich sowohl aus der ausdrücklichen Bezugnahme auf diese Verfügung als auch aus der vorstehend wiedergegebenen Wortwahl. Denn die Formulierung "wäre unzulässig" bzw. "wäre... rechtswidrig" kann nur dahin verstanden werden, dass der Verfasser (wenn auch irrtümlich) davon ausging, dass eine Entscheidung über den Antrag der Staatsanwaltschaft zu diesem Zeitpunkt noch nicht ergangen war. Trotz des entgegenstehenden Wortlauts hätte das Schreiben allenfalls dann als Beschwerde verstanden werden können, wenn der Beschluss des Amtsgerichts dem Verurteilten bzw. dem Verfahrensbevollmächtigten bis zum 17. November 2000 bereits bekannt gemacht worden wäre. Dies wird in der "außerordentlichen weiteren Beschwerde" vom 7. Februar 2001 jedoch in Abrede gestellt. Das Gegenteil lässt sich aus den Akten nicht herleiten; eine entsprechende Verfügung des Amtsgerichts ist darin nicht aufzufinden.
Die Beschwerde ist auch begründet. War nämlich die Eingabe des Verurteilten vom 17. November 2000 nicht als Beschwerde anzusehen, durfte das Landgericht nicht im Sinne einer Beschwerdeentscheidung tätig werden. Der Beschluss ist daher zu Unrecht ergangen und musste - ungeachtet seines materiellen Inhalts - aufgehoben werden (vgl. Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO, 44. Aufl., § 310 Rdnr. 2; OLG Saarbrücken in VRS 27, 453; OLG Stuttgart in Die Justiz 1971, 270).
Die Kosten- und Auslagenentscheidung ergibt sich aus entsprechender Anwendung von § 467 StPO (vgl. Kleinknecht/Meyer-Goßner, a.a.0., § 473 Rdnr. 2).
Ende der Entscheidung
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